Katastrophe ja oder nein?

Am 09. Dezember 2025 versammelte sich, organisiert von der Initiative Klima 183, eine Gruppe von Menschen vor dem Parlament, um die 183 Abgeordneten an den 10. Jahrestag des Pariser Klimaabkommens zu erinnern. Ein denkwürdiges Abkommen, das 2015 beschlossen und von fast allen UN-Mitgliedsstaaten unterzeichnet wurde. Eine Aufbruchsstimmung ging durch das Land, durch die Welt. Wie lange haben wir uns nicht alle daran festgehalten, anfangs von diesem Durchbruch euphorisiert, wenn wir uns nur fest genug anstrengen, wenn wir, die Klimabewegung, uns genug engagieren, dann schaffen wir es, die Erderhitzung nicht über 1,5 Grad ansteigen zu lassen.

Dieses Ziel müssen wir heute loslassen, die Gründe sind allseits bekannt.

Eine der Redner:innen am 09. Dezember war Helga Kromp-Kolb, allen bekannt, eine Wissenschafterin, die sich seit Jahrzehnten unermüdlich für die Klimasache einsetzt. Sie zitiert in ihrer Rede Jem Bendell, einen Wissenschafter, der die Katastrophe für unvermeidlich hält und drei Fragen formuliert, auf die wir Antworten bräuchten, wenn wir in der Katastrophe möglichst lange, möglichst gut überleben wollen.

Wir müssen uns nicht entscheiden

Kromp-Kolb führt aus, egal, ob wir in der Katastrophe sind und uns dort zurechtfinden müssen oder ob wir versuchen, die Katastrophe zu verhindern, diese drei Fragen und auch die Antworten darauf gelten für beide Fälle: „Das Schöne daran ist, aus meiner Sicht, wir müssen dieselben Fragen beantworten, wenn wir die Katastrophe verhindern wollen, wenn wir noch ins ruhige Fahrwasser kommen wollen. Wir müssen interessanterweise dieselben Antworten geben. Die Antworten sind auch dieselben und das finde ich ganz toll, weil das heißt, wir müssen uns nicht entscheiden, ob es schon zu spät ist oder nicht.“ (zur Rede)

‚Wir müssen uns nicht entscheiden‚, später fügt sie noch hinzu: ‚Wir müssen nur das Richtige tun‚. Schön daran finde ich, es befreit uns vom Damoklesschwert des Versagens. Der Vorstellung und den Ängsten, wenn wir versagen, wenn wir die 1.5 (oder 2) Grad nicht schaffen, dann ist alles aus, dann kommt die Katastrophe, unsere Nachkommen finden keine lebenwerte Welt mehr vor, die Zivilisation wie wir sie kennen wäre Geschichte. Die Frage, ob das so sein wird oder nicht, falls wir mit all unseren Bemühungen versagt haben werden, stellt sich aus diesem Blickwinkel nicht mehr. ‚Wir müssen nur das Richtige tun.‘ Und das Richtige ist dasselbe, ob wir uns bereits in der Katastrophe befinden, oder versuchen, die Katastrophe zu verhindern.

Die seit einigen Jahren anwachsende Kollaps-Bewegung geht davon aus, dass die Systeme bereits begonnen haben, zu kollabieren, wir befänden uns mitten drin, Kollaps ist nicht Zukunft, Kollaps ist jetzt. Sie arbeiten daran, wie wir diese überwältigende Belastung stemmen, emotional, sozial und menschlich bewältigen können und konkret daran, was wir brauchen, um in dieser Situation solidarisch und friedlich zu kooperieren und in Gemeinsamkeit zu über/leben, wie wir uns Demokratie und Menschenrechte erhalten können. Auch dafür gelten im Grunde dieselben Fragen und Antworten.

Die Fragen

Frage 1: Was ist uns wirklich wichtig, was wollen wir unbedingt beibehalten.

Da drängt sich fast automatisch ein ganz aktuelles Anliegen in die Gedanken: Das Amerlinghaus. Das Amerlinghaus soll die Katastrophe verhindern? Natürlich nicht. Doch finden hier Gruppen aus unterschiedlichsten Milieus einen Rahmen vor, in dem sie ihren Platz in der Gesellschaft wahrnehmen und ihre Interessen und Aktivitäten einbringen können. Gerade in Zeiten andauernder Krisen bzw. in Zeiten einer Katastrophe, noch dazu in diesem Ausmaß, braucht es Bewegungen von unten. Und die entstehen und entwickeln sich leichter, wenn sie förderliche Strukturen wie das Amerlinghaus und ähnliche Einrichtungen vorfinden.

Frage 2: Was lassen wir los.

Auch ganz aktuell: Den Lobautunnel. Längst überkommene fossile Großprojekte wie die Lobauautobahn samt Tunnel und andere derartige Monster sollten wir loslassen. Im Ernstfall nutzen uns die paar Minuten, die wir schneller am Ziel wären, genau gar nichts. Die Milliarden wären weit besser in Gesundheit, Soziales und existentielle Absicherung investiert, was in Krisen- und Katastrophenzeiten allen Menschen zugute kommt. Um von der Doktrin immerwährenden Wachstums durch fossile Verschwendung Abstand zu nehmen, müssen wir letztlich auch unsere luxuriöse petromaskulin imperiale Lebensweise loslassen.

Frage 3: Was können wir (wieder) lernen (was wir schon einmal gekonnt haben oder von anderen Kulturen).

Gilt für Österreich, aber auch für andere Länder: Die Pressefreiheit! Im Presseindex von Reporter ohne Grenzen haben wir uns im Vergleich zum Vorjahr zwar leicht verbessert, sind aber seit 2015 nicht mehr in den Top Ten, aktuell Platz 22. Für eine funktionierende Demokratie ist Presse- und Medienfreiheit unabdingbar. Für die Bewältigung der Klimakatastrophe ist eine funktionierende Demokratie unabdingbar. Auch wenn die Freiheit von Presse und Medien bei uns noch relativ stabil zu sein scheint (im Index ‚zufriedenstellend‘) so ist sie doch gefährdet. Das zeigt sich aktuell z.B. darin, unabhängig denkende und kritische Journalist:innen wie Karim El-Gawhary mit fadenscheinigen Begründungen nicht weiter beschäftigen zu wollen (zur Petition). Wir könnten stattdessen wieder in die Top 10 kommen wollen. Jedenfalls sollten wir wachsam sein.

Nur drei lokale Beispiele, vieles gäbe es anzufügen, im Kleinen wie im Großen. Uns allen wünsche ich, dass wir auf die drei Fragen in den kommenden Jahren die passenden Antworten finden und sie auch umsetzen werden. Dann tun wir vielleicht das Richtige, um die Katastrophe, wenn schon nicht zu verhindern, zumindest abzumildern oder zu verkürzen bzw. in der Katastrophe möglichst lange möglichst gut zu über/leben. Gemeinsam und solidarisch, innerstaatlich und global.

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