Lass uns reden #5

„Wenn’s die Dänen können, können’s wir wohl auch.“
„Nicht, solange die Regierung die Sache nicht ernst nimmt. Mit individuellem Schnitzelverzicht und ein bissl rumreden kommst du da nämlich nicht weiter und wenn du noch so fest mit dem Fuß aufstampfst. Da braucht es schon einen massiven Handabdruck, um …“
„Handabdruck? Was ist denn das schon wieder.“
„Heißt einfach, dass du Aktionen setzt, die nicht nur dein eigenes Verhalten betreffen, sondern darüber hinaus etwas bewirken sollen, Freundeskreis, Verein, Gemeinde, Politik und so weiter. “
„Versteh. Aber dann wäre das, also wenn wir so drüber reden, auch ein Handabdruck. Zumindest wenn ich nicht ständig nur dagegen red‘ und ein bisschen Veränderungs-Bereitschaft zeigen würde.“
„Könnte man so sagen, ja. Apropos, wie steht’s um deinen Beschluss, mehr Fleisch zu essen?“
„Mehr??“
„War ein Witz.“
„Du glaubst mir das nicht, weiß ich eh, aber ich bemüh mich wirklich. Jedenfalls kauf ich weniger Wurstwaren und ess‘ nur noch 2 oder 3 Mal die Woche Fleisch.“
„2 oder 3 Mal, naja. Die Rinder rülpsen und furzen uns die Atmosphäre voll und aus der Schweinescheiße entweicht dank einiger fleißiger Mikroben Methan und Lachgas.“
„Jetzt mach ich endlich was und du meckerst wieder nur. Fair ist das nicht.“
„Unfair ist, wenn die wohlhabenderen Menschen immer mehr Fleisch verzehren, wodurch sie den Klimawandel antreiben, den die ärmeren Menschen besonders stark zu spüren bekommen, obwohl sie viel weniger dazu beitragen. Ist das fair?“
„Schon gut.“

„Aber ich wollt‘ eigentlich was anderes sagen. Weil du gemeint hast, unser Reden hier, sei ein Handabdruck. Stimmt schon irgendwie, bloß für einen Beschluss zur Einführung einer CO2-Steuer in der Landwirtschaft zum Beispiel, wie in Dänemark, da braucht es schon mehr.“
„Eine Besteuerung der Kuhfürze? Ich seh das Problem eher in der Gier der Schwellenländer. Die wachsen so schnell und wollen halt auch das Luxusleben führen, das wir ihnen jahrzehntelang vor die Nase gehalten haben. Zum Beispiel Fleisch essen wann und wo und wie oft und wie viel sie wollen. Ist ja auch irgendwie verständlich.“
„Schon, nur werden inzwischen mehr als 1.5 Milliarden Rinder und knapp 1 Milliarde Schweine gehalten. Stell dir mal diese Menge an Gasen vor.“
„In meinem Hinterhof möchte‘ ich es nicht haben. Aber wie haben die das geschafft, die Dänen, ohne dass die Bauern mit ihren Mega-Traktoren das Regierungsgebäude plattgewalzt haben?“


„Ganz einfach. Sie haben mit den Leuten geredet.“
„Geredet? Haben wir doch auch. Sage nur Klimarat.“
„Genau. Und noch vor dem Ende der letzten Sitzung hat die ÖVP verlauten lassen, was ihr sagt’s ist uns scheißegal. Der ÖVP-Klimaschutzsprecher hat die Einsetzung des Klimarats selbst mitbeschlossen und ließ kurz vor Schluss in den Medien verlauten, er halte den Klimarat für absolut untauglich und die Ergebnisse hätten für ihn keine Relevanz. Meinst du das damit, mit den Leuten reden?“
„Kann mich eh erinnern. Da haben sich aber auch viele darüber aufgeregt.“
„Aufgeregt, ja. Hat uns halt wiedermal ganz deutlich die eigentliche Haltung vor Augen geführt. Die begegnen den Bürgerinnen und Bürgern nicht mit Respekt und auf Augenhöhe. Sie …“
„Ge, aber wer tut denn das schon von den anderen Parteien, die sind doch alle gleich.“
„Die Dänen zum Beispiel haben einen anderen Weg versucht. Die haben in einem zweijährigen Prozess mit allen betroffenen Bürger:innen und Interessensgruppen geredet.
„Klingt mir ein wenig simpel.“

„Natürlich gab’s auch Widerstand, die Agrarindustrie hat versucht, zu verhindern, es gab Bauernproteste.  Aber das Klimagesetz hatte die Zustimmung von 8 von 10 im Parlament vertretenen Parteien, das sind 95%. Das erreichst du nur mit reden, reden, reden. Und auf dieser Basis konnte dann die Einführung der CO2 Steuer ab 2030 für die Landwirtschaft beschlossen werden – weil mit allen betroffenen Personen, Institutionen, Unternehmen, Interessensvertretungen etc. geredet wurde. Auf Augenhöhe. In einem zweijährigen Prozess.“

„Die Zeit haben wir nicht.“
„Demokratie braucht Zeit, und die müssen wir uns nehmen. Nur so kommen wir zu Beschlüssen, die dann auch wirklich halten.“
„Hast du unseren ‚Klima‘-Minister im Interview gehört? Da scheint mir so ein Prozess eher wie ein frommer Weihnachtswunsch, aber nichts, das sich umsetzen lässt. Reden mit Bürger:innen – keine Spur.“
„Weißt du wie die Debatte zum Klimagesetz in Dänemark entstanden ist? Durch eine Bürgerinitiative, eine Petition. 50.000 Unterschriften, es musste im Parlament verhandelt werden. So hat das angefangen.“

„Bürgerinitiative. Der Klimarat war zwar keine Bürger:innen-Initiative, weil vom Ministerium in Auftrag gegeben, aber doch eine Sache, wo Bürger:innen die Gelegenheit bekamen, mitzureden. Hätte man gedacht, dann ist es anders gekommen. Sie wurden ignoriert, nichts wurde umgesetzt. Jetzt hat SEIN Ministerium einen Entwurf erstellt, worüber dann im Herbst mit den Koalitions-Parteien geredet werden soll, einen Klimafahrplan wollen sie machen, eine ministerielle Steuerungsgruppe, … viel heiße Luft. Mit Bürger:innen reden? Auf Augenhöhe? Nö.“
„Unglaublich, ja. Inhaltlich hat er genau nichts gesagt. Demokratieverständnis, Klimabewusstsein null. Einbindung von Bürger:innen in demokratische Prozesse wird nicht einmal angedacht.“
„Er bedient seine Klientel, so lauft das halt.“
„In Autokratien.“
„Auch bei uns. Und jetzt? Zuschauen wie der Klimaschutz den Bach runtergeht? Ihm war ja schon das Wort Klimaschutz zuviel. Jetzt heißt es Klimagesetz. Mit dieser Regierung ist kein Klimaschutz zu machen, das heißt vier verlorene Jahre. Bei dem rasanten Fortschreiten der Klimakatastrophe ein Wahnsinn und absolut unverantwortlich.“
„Ist es. Ja. Doch auch bei uns gibt es eine Zivilgesellschaft. Die muss jetzt mal einen kräftigen Handabdruck hinterlassen und die Regierung zum Umdenken bewegen.“
„Und wie willst du das machen?“
„Weiß ich noch nicht. Aber es scheint mir der einzige Weg zu sein. Wir müssen uns zusammentun.“

Ein Gedanke zu „Lass uns reden #5

  1. „… der einzige Weg. Wir müssen uns zusammentun.“
    Genau das.

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