Gegen Ende der 1970er als junger Erwachsener im Auto auf der Landstraße unterwegs, das Fenster offen, den Ellbogen aufgestützt, eine Hand am Lenkrad, mit brennender Zigarette. Die Musik dazu lässt Easy Rider Freiheitsgefühle auf Tiroler Landstraßen aufkeimen. Das war einfach nur cool. Wer hätte da an Klima gedacht?
Der Bericht des Club of Rome war zu diesem Zeitpunkt bereits veröffentlicht und wurde auch gelesen, doch inhaltlich zu weit entfernt, als dass er gegen solche Gefühle hätte ankommen können. Jung, die Welt stand offen, selbstverständlich wird die Zukunft besser als die Gegenwart, die Wirtschaft wächst, der Wohlstand wächst. Arbeit für alle, in einer freien demokratischen und friedlichen Gesellschaft. Auch wenn man wußte, dass es woanders anders war und auch für kritisch politische Anliegen auf die Straße ging, gegen Krieg, gegen Atom, für die Hausbesetzungen, für die Umwelt etc., war es im Alltagsleben gefühlt trotzdem irgendwie so, als ob es auf der ganzen Welt so wäre wie bei uns, oder zumindest so werden wird. Mit Aussicht auf eine bessere Zukunft.
Wachstum und (technischer) Fortschritt bringen Wohlstand für alle. So wurde es gepredigt und so hat es sich in unser unhinterfragt selbstverständliches Hintergrundwissen eingegraben, was dazu beigetragen hat, dass die Lügen leichter geglaubt wurden. Die Lügen darüber, dass unser verschwenderischer Lebensstil nur durch die rücksichtlose Ausbeutung von Natur und Menschen in anderen Ländern möglich war.
Zu dieser Zeit hat vorerst unbemerkt der Feldzug des Neoliberalismus begonnen. Die Geschichte ist bekannt. Am Ende waren in vielen Ländern öffentliche Dienstleistungen privatisiert oder kaputt gespart, Gewerkschaften gesprengt, Arbeitswelt und Gesellschaft durch strukturelle Eingriffe entsolidarisiert. Die Monetarisierung sämtlicher Lebensbereiche hat sich bis in die persönlichen Beziehungen geschlichen. Begleitet von Lügen wie z.B.: Wenn wir nicht auf den Zug der Globalisierung aufspringen, ist unser Wohlstand gefährdet, wir brauchen sie, um den Anschluss nicht zu verlieren. Zu den größten Lügen zählt das ständige Vernebeln einer Basis unseres Wohlstands: Die rücksichtslose Ausbeutung anderer Weltregionen, vor allem des globalen Südens.
Im gleichen Zeitraum sind auch Desinformationskampagnen zum Klimawandel angestiegen, in den letzten 10 Jahren fast tsunamiartig. Die Ölgesellschaften hatten genau gewusst, welche Klima-Schäden die fossilen Energien verursachen und haben alles daran gesetzt, dass sich dieses Wissen nicht verbreitet bzw. dass ihm nicht geglaubt wird. Sie wollten und wollen ihre immensen Gewinne so lange wie möglich prolongieren. Wie es momentan ausschaut, mit großem Erfolg. Es scheint, die Lüge hat gewonnen und mit ihr kommt neben dem Klima auch die Demokratie unter die Räder.
“Manchmal muss man einfach einsehen, dass man gegen das Gesellschaftsversagen nicht länger ankommt. Gesellschaft und Regierung haben sich für das fossile Weiter-so entschieden.” (Mina Canaval, Klimaaktivistin, Letzte Generation)
Wie konnte es so weit kommen? Eine Antwort würde mehrere hundert Seiten füllen. Tatsache ist: Es ist so weit gekommen. Wir finden uns in einer Situation, in der Demokratie, eine freie Gesellschaft und Klimaschutz massiv und ernsthaft gefährdet sind.
Kollaps wird oft mit Hollywood-Bildern assoziiert, in denen die Welt von einem auf den anderen Tag zusammenbricht. In der Realtität ist der Kollaps von Demokratie und Klima ein Prozess und er steht nicht bevor, sondern ist längst in Gang. So ist nun mal die Situation, lassen wir uns nicht länger belügen und belügen wir uns nicht länger selbst.
Das alles braucht uns jedoch nicht davon abzuhalten, uns für sinnvolle Dinge einzusetzen. Mehr autofreie Zonen im Stadtgebiet, höhere Gebühren für SUVs, Temporeduktion im gesamten Ortsgebiet auf 30 kmh, etc., nicht nur, aber auch hinsichtlich nächster Wahlen. Für den Erhalt des Rechtsstaates, freie Meinungsäußerung und Medien, Erhalt der Menschenrechte, Klimaschutzmaßnahmen und vieles mehr. Sich für diese Dinge einzusetzen, macht immer Sinn. Egal wie es ausgeht.
Dieser Beitrag basiert auf einem Treffen der Seniors For Future Arbeitsgruppe ‚Heisses Alter‘.
Hallo,
diesen Text finde ich sehr gut und absolut treffend !
Wichtig ist, finde ich, noch zu erwähnen, dass wir einfach der Natur mehr Raum lassen müssen. Sie kann sich oft selbst regenerieren, wenn man sie lässt.
Lg
Birgit