„Die Idee einer Welt
ohne Wachstum
verständlich erklärt.“
(Artikel von Katharina Mau
auf Krautreporter)
Foto: Markus Spiske
‚Unendliches Wachstum ist auf einem begrenzten Planeten nicht möglich‘, das klingt für jede/n unmittelbar einleuchtend. Gefühlsmäßig ist uns jedoch die Aussage ‚Wachstum ist gut, für die Wirtschaft notwendig und führt zu mehr Wohlstand für alle‘ näher. Die meisten von uns sind damit aufgewachsen und haben unmittelbar erlebt, wie eine wachsende Wirtschaft zum eigenen Wohlstand beigetragen hat.
Ein Wirtschaftsmodell zu hinterfragen, das uns (in den Industrienationen) ein luxuriöses Leben ermöglicht und lange Zeit zum unhinterfragten Paradigma gezählt hat, und dann noch in eine Richtung, die zumindest gefühlt das Gegenteil davon propagiert, ist für jede/n von uns kognitiv-emotionale ‚Schwerarbeit‘. Ausrede- und Verdrängungsgedanken stellen sich fast automatisch ein, wenn wir daran erinnert werden, dass eben dieses System, das uns so viel Gutes beschert hat, drauf und dran ist, die Welt zu zerstören.
Zudem baut der Luxus ‚hier oben‘ auf Ausbeutung und Elend ‚da unten‘ auf. Schäden durch die Produktion und die schädlichen Folgen des Konsumismus werden soweit wie möglich in den globalen Süden ausgelagert. Auf den bei uns üblichen Landkarten ist Europa oben und relativ zentral verzeichnet. Oben ist konnotiert mit gut, Himmel, reich, da wo alle hinwollen, nach oben. Unten sind die Füße im Dreck der Straße, unten ist arm, das Böse, die Hölle, das Schlechte. Ist die Verteilung vielleicht eh gerecht?
Für die kognitive Ebene ist es wichtig zu verstehen, wie unsere aktuelle Wirtschaft funktioniert und wie ein alternatives System ohne Wachstum auskommen könnte. Auf der emotionalen Ebene hilft vielleicht die Frage, ob der Wohlstand, den wir meinen, wirklich mit Lebensqualität zu tun hat. Alle paar Wochen neue Klamotten, die wir oft nicht oder nur ein Mal anziehen, das neueste Handy obwohl das alte noch super funktioniert, mein neuer SUV hat mehr PS als der vom Nachbar. Und die Frage, ob es nicht an der Zeit wäre, etwas mehr Verteilungsgerechtigkeit zu schaffen. Länder, die bisher am wenigsten dazu beigetragen haben, leiden am meisten unter der Klimakatastrophe. Außerdem -die finanzielle Schuldenlage täuscht: Nicht der Süden schuldet uns etwas, sondern wir dem Süden.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten herrscht die neoliberale Ideologie immer unverschämter. Propagandaartig werden wir darauf getrimmt zu glauben, wir bräuchten Dinge, die wir in Wirklichkeit gar nicht brauchen, und dass wir in kurzen Abständen unbedingt die neueste Version haben müssten. Immer mehr, immer besser, größer, schneller, und auch wir selbst sind davon nicht ausgenommen. „Die Zwänge zur permanenten Fortentwicklung und Selbstoptimierung“, schreibt Welzer, „sind uns längst und unbemerkt zum Selbstzwang geworden“ (Zitat aus dem Artikel von K. Mau).
Ein wichtiger Schritt scheint mir, das Räderwerk zu verstehen, was bewirkt die Wachstumsdoktrin und was würde Degrowth bedeuten bzw. welche Systeme könnte es geben, die langfristig nicht gegen, sondern im Einklang mit Mensch und Natur funktionieren. Ein zweiter Schritt könnte sein, dass wir uns von einer Wohlstandsgewohnheit lösen, die bei genauerem Hinsehen ihre Versprechen nicht halten kann. Was Menschen glücklich macht, ist nicht Besitz und Konsum, sondern Gesundheit, Zugehörigkeit zu einer Gruppe, sei es Familie oder Gemeinschaft, gelingende (liebevolle) Beziehungen, ausreichende Freiheit und Selbstbestimmung sowie Existenzsicherheit.
Katharina Mau ist freie Journalistin, Volkswirtin und Mitglied im Netzwerk Klimajournalismus Deutschland. Sie schreibt über Klimakrise, Wirtschaft und Mobilität, und ist Expertin für Degrowth. Im Artikel „Die Idee einer Welt ohne Wachstum verständlich erklärt“ führt sie anschaulich und verständlich aus, was es damit auf sich hat. ( Das Buch „Das Ende der Erschöpfung. Wie wir eine Welt ohne Wachstum schaffen“ erscheint im Frühjahr 2024 im Verlag Löwenzahn)