„Ich kann’s nicht mehr hören.“
„Was denn?“
„Dieses ständige Klimagefasel. Wir müssten handeln und zwar jetzt, Radeln for Future, Wandern for Future, eine Kundgebung da, eine Demo dort, die einen schreiben Briefe, die andern schreien sich die Kehle aus dem Leib, Klimagerechtigkeit und sozial-ökologische Transformation, Natur statt Öl, sonst sterben wir alle, wir müssen was für die Enkerl tun, Klimagefühle oh Gott, betrauern und visioniern, eine Unmenge an Schildern und Sprüchen, Pickerl haben wir auch und Klimasongs und Reels auf Instagram, Kleben und Wissenschaft, Kunst und Aktionen, die Welt brennt, aber wir bringen nicht mal ein Gesetz zustande, …“
„Ok, ok, ok. Ist ja gut. Vielleicht brauchst du eine Pause. Oder ein Bier.“
„Das eine kann ich nicht, das andere soll ich nicht.“
„Wieso ‚kann ich nicht‘?“
„Doch nicht jetzt so kurz vor der Wahl. Stell dir vor, die Umfragen erfüllen sich. Dann ist’s aus mit Klimaschutz.“
„Welcher Klimaschutz denn?“
„Mach dich nur lustig. Heute hat auf Ö1 eine gesagt, was wir tun müssten, um das 1.5 Grad Ziel zu erreichen. Nervig. Ist doch längst vorbei, kaum die 2 Grad sind in Reichweite. Aber sollten wir wirklich eine blau-schwarze Regierung bekommen, würden selbst solche Stimmen zum Schweigen gebracht und das Wort Klimakatastrophe aus dem Vokabular gestrichen werden.“
„Dazu ist sie zu weit fortgeschritten.“
„Schau dir doch an, was in der Slowakei im Kulturressort passiert. Genau so würde es uns mit dem Klima gehen. Und auch in anderen Bereichen. Das wird Grusel vom Feinsten.“
„Du schwarzmalst wieder mal.“
„Nein. Sollte dann auch noch die autokratische Gallionsfigur Trump gewählt werden, können wir überhaupt zusperren. Also wenn wir was für das Klima tun wollen, müssen wir was für die Demokratie tun. Jetzt. Keine Pause, kein Bier.“
„Vielleicht, aber die halbe Welt zieht nach rechts. Kriege, Krisen, Klima, die Leute sind total verunsichert und viele in ihrer Existenz bedroht. Sie brauchen was, woran sie sich festhalten können. Die Demokratie bietet das nicht. Schon gar nicht in Krisenzeiten.“
„Ja eh, zu komplex und zu langsam. Sie muss Fragen stellen, Meinungen und Möglichkeiten diskutieren, Konsens und Kompromisse aushandeln. Demokratie könnte einen Kompass in Frage stellen, genau das, wonach aktuell verlangt wird. Ein klares Nord/Süd/West/Ost Gefüge, woran sich die Leute orientieren können.“
„Hm. Und was schlägst du vor?“
„Demokratie mit aller Kraft und im neuen Gewand. Wir hatten innovative Ansätze mit dem Klimarat, die haben super gearbeitet. Daran könnte man sich orientieren, wenn man will. Bürger:innenräte haben enormes Lösungspotential. Wer hat’s blockiert? Genau. Wir müssen vermitteln, dass rechts-autokratische Parteien und Systeme uns in die Katastrophe führen. Und das nicht nur in Sachen Klima.“
„Aber wenn die Demokratie das nicht kann?“
„Sie kann. Aber sie braucht Zeit, und die müssen wir ihr verschaffen.“